Hermann Hesse

 

Aus Indien

 

 

Nachtfest der Chinesen in Singapur

 

Bei den wehenden Lichtern

Oben auf dem bekränzten Balkon

Kauern sie ruhevoll in der festlichen Nacht,

Singen Lieder von lang verstorbenen Dichtern,

Horchen beglückt auf der Laute schwirrenden Ton,

Der die Augen der Mädchen größer und schöner macht.

 

Durch die sternlose Nacht klirrt die Musik

Gläsern wie Flügelschlag großer Libellen,

Braune Augen lachen in lautlosem Glück -

Keiner, der nicht ein Lächeln im Auge hat !

Drunten wartet schlaflos mit tausend hellen

Lichteraugen am Meere die glänzende Stadt.

 

 

Bei Nacht

 

Nachts, wenn das Meer mich wiegt

Und bleicher Sternenglanz

Auf seinen weiten Wellen liegt,

Dann löse ich mich ganz

Von allem Tun und aller Liebe los

Und stehe still und atme bloß

Allein, allein vom Meer gewiegt,

Das still und kalt mit tausend Lichtern liegt.

 

Dann muss ich meiner Freunde denken

Und meinen Blick in ihre Blicke senken,

Und frage jeden still allein:

"Bist du noch mein?

Ist dir mein Leid ein Leid? Mein Tod ein Tod?

Fühlst du von meiner Liebe, in meiner Not

Nur einen Hauch, nur einen Widerhall?"

 

Und ruhig blickt und schweigt das Meer

Und lächelt: Nein.

Und nirgendwo kommt Gruß und Antwort her.

 

 

Im malayischen Archipel

 

In allen Nächten steht die Heimat nah,

Als wäre sie noch mein,

Vor meinen traumbeglückten Augen da.

Doch muss ich lange noch auf Reisen sein

Und in entlegener Inseln Sonnenglut

Mein Herz zur Ruhe bringen

Und wie ein widerspenstig Kind

Einwiegen und zur Ruhe singen.

Und immer wieder ist es ungemut,

Ist nicht zur Ruh' zu bringen,

Ist wild und schwach wie Kinder sind.

 

 

Kein Trost

 

Zur Urwelt führt kein Weg zurück.

Es gibt kein Sternenheer,

Kein Wald und Strom und Meer

Der Seele Trost und Glück.

 

Es ist nicht Baum noch Fluss noch Tier

Dem Herzen zu erreichen;

Trost wird dem Herzen dir

Allein bei deinesgleichen.

 

 

 

Vor Colombo

 

In grünem Licht verglimmt der heiße Tag,

Still geht und steht das Schiff im Wellenschlag.

So still und gleich durch diese Welt zu gehn,

So unbeirrt in Kampf und Nacht zu sehn,

War meiner Reise Ziel, doch lernt' ich's nicht.

Und wartend wend' ich heimwärts mein Gesicht,

Zu neuer Tage Wechselspiel bereit,

Neugierig auf des Lebens Grausamkeit.

 

Für mich ist Stille nicht und Sternenbahn,

Ich bin die Welle, bin der schwankende Kahn,

Von jedem Sturm im Innersten erregt,

Von jedem Hauch verwundet und bewegt.

So fand ich bis zum fernsten Wendekreise

Mich selber nur und kehre von der Reise

Mit aller alten Wandersehnsucht her,

Nach Lust und Schmerz des Lebens voll Begehr,

Zu neuem Spiel und neuem Kampf gesonnen,

Aus allem Abenteuer ungeheilt entronnen.

Ich bin der Erde, nicht der Sterne Kind,

Unruhig ist mein Sinn, bewegt vom Wind,

Vom Meer geschaukelt und vom Sturm geweckt,

Vom Licht getröstet, von der Nacht erschreckt.

Und ob ich hundertmal im Lebensdrang

Um Weisheit flehte und nach Frieden rang,

Stets ruht mein Los gebannt an irdische Zeichen,

Und immer werd' ich meiner Mutter gleichen.